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Kapitel 29

Der Confirmation bias

Der Confirmation bias (dt.: Bestätigungsfehler) ist eine kognitive Verzerrung und bezeichnet die menschliche Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen, Werte oder Überzeugungen bestätigen. Es kommt hierbei zu einer unbewussten selektiven Wahrnehmung, bei der die Aufmerksamkeit einseitig auf die vorgefasste Meinung gelegt wird. Hierbei werden Informationen, die die eigene Position unterstützen höher gewichtet, während Informationen, die nicht die eigene Position unterstützen, abgewertet oder ausgeblendet werden. Mehrdeutige Informationen werden dagegen so interpretiert, dass diese als Beweis für die bestehenden Ansichten gesehen werden. Besonders stark tritt der Confirmation bias bei emotional aufgeladenen Sachverhalten, politischen und religiösen Ansichten sowie tief verwurzelten Überzeugungen auf.
Der Confirmation bias wurde erstmals in den 1960er Jahren vom Psychologen Paul Wason nachgewiesen und dient heute als Oberbegriff für eine Reihe von problematischen Bestätigungstendenzen:
 
  • voreingenommene Recherchen, bei der nur nach den Informationen gesucht wird, welche die eigenen Annahmen stützen,
  • voreingenommene Interpretationen, bei denen Informationen so interpretiert werden, dass diese zur bestehenden Einstellung passen,
  • voreingenommene Erinnerungsleistungen, bei denen man sich nur an die Informationen erinnert, welche mit den eigenen Ansichten konform sind.
 

In einer Studie aus dem Jahr 1979 wurde untersucht, wie sich eine exakt ausgewogene Literatur mit genauso vielen Pro- wie auch Kontraargumenten zum Thema Todesstrafe auf die Einstellung von Studierenden auswirkt. Obwohl alle Studierenden die gleiche Literatur erhielten, zeigte sich nach dem Lesen der Schriften, dass sowohl Befürworter als auch Gegner der Todesstrafe noch überzeugter von ihrer bereits existierenden Meinung waren als zuvor. Die ausgewogene Literatur führte somit nicht zu einer kritischeren Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern bestärkte die bestehende Einstellung und führte damit bei Befürwortern und Gegnern der Todesstrafe zu gänzlich entgegengesetzten Schlüssen.

Eine andere Studie aus dem Jahr 1983 untersuchte den Bestätigungsfehler in Kombination mit dem Halo-Effekt (siehe Halo-Effekt). Hierbei sollten Versuchspersonen die Lesefähigkeit eines Mädchens beurteilen. Einer Gruppe wurde im Vorfeld ein Video gezeigt, wie das Mädchen in einer gut situierten Vorstadt spielte und deren Eltern als Angestellte mit College-Abschluss vorgestellt wurden. Bei der anderen Gruppe wurde das Mädchen in einer weniger schönen Innenstadt-Anlange beim Spielen gezeigt, deren Eltern Arbeiter mit nur einem Highschool-Abschluss waren. Dabei zeigte sich, dass diejenigen, welche das Mädchen aus einem guten Hause kennengelernt hatten, ihr bessere Lesefähigkeiten zutrauten als diejenigen, bei der das Mädchen als Arbeiterkind präsentiert wurde. In einer weiteren Variation der Studie gaben die Forscher den Versuchspersonen zusätzlich die Möglichkeit, ihr Urteil zu revidieren, indem sie ein Interview mit dem Mädchen zeigten (beiden Gruppen wurde das gleiche Interview gezeigt). Die Forscher hatten eigentlich erwartet, dass beide Gruppen sich in ihrem Urteil über die Lesefähigkeit des Mädchens annähern müssten. Allerdings zeigte sich, dass nach dem Interview beide Gruppen noch überzeugter von ihrem (Vor-)Urteilen waren. Diejenigen, die das Mädchen als Kind wohlhabender Angestellter kennengelernt hatten, unterstellten ihr nach dem Interview noch bessere Lesefähigkeiten, während diejenigen, denen das Mädchen als Arbeiterkind vorgestellt worden war, ihre Lesefähigkeiten noch schlechter einschätzten.

 

Für den Confirmation bias existieren mehrere Erklärungen. Zunächst ist es für Menschen angenehmer und einfacher, Dinge einfach zu glauben, von denen sie möchten, dass sie wahr sind, als sich mit Informationen zu beschäftigen, die ihre Ansichten und ihr Weltbild infrage stellen könnten. Außerdem verursachen Informationen, die die eigene Position infrage stellen, unangenehme kognitive Dissonanzen, weshalb Menschen bestrebt sind, ein konsistentes Weltbild aufrechtzuerhalten. Eine weitere Erklärung ist nach dem deutschen Sozial- und Wirtschaftspsychologen Tobias Vogel, dass Einstellungen ein bedeutender Teil der menschlichen Identität und des Selbstbildes sind. Informationen, die unsere vorhandenen Einstellungen infrage stellen, werden dadurch als persönlicher Angriff empfunden. Um potenzielle Konflikte hierbei zu vermeiden, werden daher Informationen gesucht, die mit unseren Einstellungen, Werten, Überzeugungen und damit unserem Selbstbild konform sind. Diese Erklärung deckt sich auch mit neueren Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft. So konnte aufgezeigt werden, dass Argumente und Informationen, welche nicht mit unseren Einstellungen konform sind, eine Reaktion des Mandelkerns (Amygdala) hervorrufen, der an negativen Emotionen beteiligt ist.

Es ist daher wenig überraschend, dass der Confirmation bias für zahlreiche problematische Sachverhalte und Entwicklungen verantwortlich ist. Beispielsweise ist der Bestätigungsfehler eine Ursache für den Glauben an Verschwörungsmythen oder paranormale Aktivitäten und trägt zum hartnäckigen Erhalt zahlreicher Vorurteile und Stereotype bei. Der Confirmation bias führt aber auch zu einem übermäßigen Vertrauen in persönliche Entscheidungen und Überzeugungen, da wir oft nur nach denjenigen Gründen suchen, welche eine getroffene Entscheidung oder unsere Überzeugung bestätigen. Ist beispielsweise einem Arzt ein Patient als Hypochonder bekannt, so kann dies dazu führen, dass er deswegen den Patienten nicht gründlich genug untersucht und dadurch eine ernste Erkrankung nicht rechtzeitig erkennt. Besonders problematisch ist der Bestätigungsfehler auch beim Nachrichtenkonsum im Internet und in den sozialen Medien. Hier zeigen die jeweiligen Algorithmen vorrangig nur noch die Informationen und Beiträge an, die mit den Interessen und dem Weltbild des jeweiligen Nutzers übereinstimmen, wodurch zu einer Radikalisierung des Meinungsbilds beigetragen wird.

Im Marketing dagegen bedient man sich des Confirmation bias, indem gezielt Klischees und Stereotype eingesetzt werden. Während deutsche Automobilhersteller damit werben, gute Qualität zu liefern (Made in Germany), werben französische oder italienische Nahrungs- und Weinhersteller, dass diese besonders hochklassig sind.

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Tipps für die Praxis

  • Der Bestätigungsfehler verdeutlicht noch einmal, wie wichtig ein positiver erster Eindruck ist, da Menschen stark dazu tendieren, anschließend sämtliche Informationen so auszulegen, dass ihr bestehender Eindruck bestätigt wird (siehe Halo-Effekt). Vergewissern Sie sich daher, dass Sie beim ersten Kontakt mit Ihren potenziellen Kunden einen positiven Eindruck hinterlassen. Schauen Sie sich hierzu Ihre digitale Customer Journey an und finden Sie heraus, an welchen Kontaktpunkten Ihre potenziellen Kunden zum ersten Mal mit Ihnen in Kontakt treten und optimieren Sie diese (etwa Ihre Webseite oder Social Media). Achten Sie darüber hinaus auf einen positiven ersten Kontaktpunkt vor Ort.
  • Bringen Sie in Erfahrung, welche Annahmen Ihre Kunden zu gewissen Punkten haben und bestätigen Sie diese mit entsprechenden Marketing-Botschaften. Sie gewinnen damit Zustimmung und Vertrauen, wodurch Sie der nächsten Buchungsanfrage einen Schritt näher sind.
  • Der Bestätigungsfehler lebt auch von Klischees und Stereotypen. In den Köpfen der Menschen existieren hierzu zahlreiche Klischeevorstellungen, die ganze Regionen, Branchen oder Marken betreffen. Finden Sie hierbei die für Sie zutreffenden (positiven) Klischees und Stereotype heraus und verwenden Sie diese, wenn diese zu Ihrer Zielgruppe passen.
  • Sprechen Sie gezielt die Schmerzpunkte Ihrer Zielgruppe an und bieten Sie dazu eine nachvollziehbare Lösung an. Mit einem nachvollziehbaren Lösungsvorschlag glauben Menschen bereitwillig, dass es für ihr Problem eine Lösung gibt und dass Sie dafür der richtige Ansprechpartner sind.
  • Nach einer Kaufentscheidung besitzen Menschen das Bedürfnis nach Bestätigung in ihrer Entscheidung. Bestätigen Sie daher Ihren Gästen, dass diese mit einer Buchung bei Ihnen eine gute Entscheidung getroffen haben (Reduktion von Nachkaufdissonanzen, siehe Kognitive Dissonanz).

Exkurs zum Bestätigungsfehler

Wie bereits erwähnt, dient der Bestätigungsfehler heute als Oberbegriff für eine Reihe von kognitiven Verzerrungen, die sich gegenseitig verstärken können. Zu den wichtigen gehören die Pseudodiagnostizität, der My-side-Bias, der Primacy-Effekt und die illusorische Korrelation. Bei der Pseudodiagnostizität wird die Aufmerksamkeit auf die favorisierte Hypothese gerichtet, wodurch die Fähigkeit zur Prüfung alternativer Hypothesen stark eingeschränkt wird. Beim My-side-Bias werden Informationen, die der eigenen Position widersprechen, verstärkt ignoriert, während bestätigende Informationen stärker gewichtet werden. Der Primacy-Effekt führt dazu, dass Menschen sich bereits in einem (sehr) frühen Stadium der Entscheidungsfindung ein Urteil bilden. Hierbei erhalten Informationen, die am Anfang des Urteils- und Entscheidungsprozesses wahrgenommen wurden, ein höheres Gewicht. Die illusorische Korrelation tritt wiederum auf, wenn einseitig nach Daten und Mustern gesucht wird, um die eigene Meinung und Hypothese zu bestätigen und dadurch der Eindruck (oder die Illusion) entsteht, dass es sich hierbei um einen statistischen Zusammenhang handelt, der tatsächlich jedoch nicht existiert.

Autor

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Patrick Michalowski

Patrick Michalowski berät kleinere und mittelständische Unternehmen bei der psychologischen Optimierung ihrer Marketingaktivitäten. Er hat erfolgreich mehrere Studiengänge im Bereich Wirtschaft, Medien und Psychologie absolviert und ist darüber hinaus zertifizierter Referent für psychologische Kommunikationsprozesse (PFH)

Quellen

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