Kapitel 22
Stellen Sie sich vor, ein Freund von Ihnen plant für den Nachbarschaftsverein ein großes Straßenfest, wofür er freiwillige Helfer sucht. Er kommt auf Sie zu und fragt Sie, ob Sie am Wochenende bei der Vorbereitung sowie dem Auf- und Abbau des Straßenfestes mithelfen könnten. Beim Gedanken daran, dass komplette Wochenende mit dem Auf- und Abbau von Bierbänken und dem Schleppen von schweren Getränkekisten zu verbringen, überlegen Sie nicht lange und winken ab. Doch direkt kommt die nächste Bitte: Ob Sie nicht wenigstens eine Stunde am Getränkewagen aushelfen könnten? Die Sache kommt Ihnen so oder so ungelegen, aber würden Sie immer noch Nein sagen, nachdem Sie bereits die erste Bitte abgelehnt haben?
Das, was Ihr (fiktiver) Freund gerade angewendet hat, ist die Door-in-the-face-Technik (dt.: Tür-ins-Gesicht-Technik), bei der man zunächst „die Tür vor der Nase zuschlagen“ lassen muss, um in der Folge deutlich bessere Erfolgsaussichten für sein eigentliches Anliegen zu haben. Hierzu wird zunächst eine große Eingangsbitte platziert, die mit großer Sicherheit abgelehnt wird. Nachdem diese zurückgewiesen wurde, wird im Anschluss ein moderaterer Wunsch vorgetragen, an dessen Erfüllung man von Anfang an interessiert war. Weil das Gegenüber die erste Bitte bereits abgelehnt hat, steigt nun dafür die Bereitschaft, einer zweiten und kleineren Bitte zuzustimmen.
Den Grundstein für die Door-in-the-face-Technik legte der Psychologe Robert B. Cialdini mit sein Forschungsteam 1975 in einer viel beachteten Studie. In der Untersuchung gaben sich die Forscher als Vertreter einer Beratungsstelle für Jugendliche aus und sprachen auf dem Campus Studenten an, ob diese bereit wären, eine Gruppe von jugendlichen Straftätern bei einem Tagesausflug in den Zoo zu beaufsichtigen. Wie von den Forschern erwartet, waren nur eine Minderheit der Studenten dazu bereit (17 Prozent), ihre Zeit für die Resozialisation von jugendlichen Straftätern zu opfern. Zu ganz anderen Ergebnissen kamen dagegen die Forscher, als sie die gleiche Frage stellten, dabei jedoch die Door-in-the-face-Technik anwendeten. Hierzu baten sie die Studenten zunächst, über einen Zeitraum von zwei Jahren wöchentlich sich zwei Stunden um jugendliche Straftäter zu kümmern, was erwartungsgemäß fast alle Befragten ablehnten. Als daraufhin die vergleichsweise harmlose Bitte nach einem einmaligen Tagesausflug in den Zoo vorgetragen wurde, stimmten nun beeindruckende 50 Prozent der Studenten zu.
In einer anderen Studie konnten Robert B. Cialdini und Karen Ascani darüber hinaus nachweisen, dass die Door-in-the-face-Technik nicht nur die Erfolgschancen des eigentlichen Anliegens steigen lässt, sondern sich auch hinsichtlich zukünftiger Gefälligkeiten als sehr dienlich erweist. Im Rahmen ihrer Studie baten die Forscher Studenten, für eine Blutspendenaktion einen halben Liter Blut zu spenden. Ein Teil der Studenten wurde hierbei direkt gefragt, ob er einen halben Liter Blut spenden würde. Bei einem anderen Teil der Studenten wurde dagegen die Tür-ins-Gesicht-Technik angewendet, indem die Studenten zunächst gefragt wurden, ob sie über einen Zeitraum von drei Jahren alle sechs Wochen einen halben Liter Blut spenden würden. Als die meisten Studenten dies ablehnten, wurde dann das eigentliche Anliegen mit der Bitte um eine einmalige Blutspende vorgetragen. Wie auch in der Studie zum Zooausflug waren deutlich mehr Studenten zum Blutspenden bereit, wenn dabei die Fuß-in-der-Tür-Technik angewendet wurde. Doch der eigentlich interessante der Teil der Studie fing erst nach dem Blutspenden an, bei dem die Studenten um ihre Telefonnummer für zukünftige Spendenaktionen gefragt wurden. Dabei zeigte sich, dass mit 84 Prozent fast alle Studenten aus der Gruppe der Tür-ins-Gesicht-Technik auch zukünftig spenden wollten, während es bei der anderen Gruppe mit 43 Prozent weniger als die Hälfte waren.
Für den Erfolg der Door-in-the-face-Technik existieren mehrere Erklärungen. Die geläufigste Erklärung sieht die Wirkung der Technik in einer Kombination des Prinzips der Reziprozität mit dem Kontrasteffekt. Das Prinzip der Reziprozität kommt hierbei zur Geltung, da der Rückzug von der ersten Bitte für die ablehnende Person als ein Zugeständnis empfunden wird. Im Sinne der Reziprozität führt dies bei der ablehnenden Person dazu, dass diese sich nun auch verpflichtet fühlt, ebenfalls einen Schritt entgegenzukommen und ein Zugeständnis zu machen, indem sie Teile ihrer ablehnenden Position aufgibt. Zusätzlich erscheint im Vergleich zur ersten großen Bitte die zweite kleinere Bitte deutlich kleiner (Kontrasteffekt). Einige Forscher zweifeln jedoch an dieser Erklärung und gehen stattdessen davon aus, dass durch die Ablehnung der ersten Bitte ein Gefühl von Schuld entsteht, dass mit der Gewährung der zweiten Bitte neutralisiert werden soll.
Damit die Door-in-the-face-Technik erfolgreich zur Geltung kommt, müssen jedoch zwei wichtige Punkte beachtet werden:
Darüber hinaus konnte eine Untersuchung aus dem Jahr 2009 aufzeigen, dass der Erfolg der Door-in-the-face-Technik nochmals gesteigert werden kann, wenn ein Anliegen durch einen Fragesteller hervorgebracht wurde, der zu einer Gruppe gehörte, der man selbst angehört (In-Group). Wurden beispielsweise Studenten von einem Fragesteller gefragt, der ähnlich wie sie normale Kleidung trug und sie mit einem „Du“ ansprach, war der Erfolg der Technik deutlich höher, als wenn eine Bitte von einer Person vorgetragen wurde, die einen Anzug trug und die Studenten mit einem förmlichen „Sie“ ansprach (Out-Group).
Dass die Technik auch exzellent in Verkaufssituationen funktioniert, konnte wiederum eine österreichische Studie aus dem Jahr 2008 aufzeigen. Hierzu sollte in einer Berghütte ein halbes Kilo hausgemachten Käses zum Preis von 4 Euro verkauft werden. Wurde dieses Angebot von der Verkäuferin direkt unterbreitetet, waren nur 9 Prozent der Personen bereit, den Käse zu kaufen. Wenn dagegen die Verkäuferin zunächst ein ganzes Kilo zum Preis von 8 Euro anbot, und erst nach einem „Nein“ der Kunden das Angebot präsentierte, waren im Anschluss 24 Prozent der Personen bereit, ein halbes Kilo Käse für 4 Euro zu kaufen. Die Verkaufsrate konnte noch einmal auf beeindruckende 49 Prozent gesteigert werden, wenn die Verkäuferin dabei ein Dirndl trug und zusätzlich darauf hinwies, dass es sich beim zweiten Angebot (ein halbes Kilo Käse zu 4 Euro) um einen guten Kompromiss handelt. Drei Jahre später übertrug ein anderes Forscherteam die Door-in-the-face-Technik, auf die Gastronomie. Hierbei wiesen die Forscher die Kellner eines Restaurants an, die Gäste nach dem Hauptgang zu fragen, ob diese noch ein Dessert haben wollen (Preis: 4,00 Euro bis 8,50 Euro). Wenn die Gäste verneinten, wurde ihnen ein zweites und kostengünstigeres Angebot in Form von Tee oder Kaffee unterbreitet (Preis: 1,20 Euro bis 1,40 Euro). Auch hier zeigte sich, dass bei Anwendung der Door-in-the-face-Technik deutlich mehr Tee und Kaffee verkauft wurde, als wenn die Gäste nach dem Hauptgang direkt danach gefragt wurden (50 Prozent im Vergleich zu 18 Prozent). Für die Gastronomie stellen diese Studienergebnisse eine Win-win-Situation dar. Denn geht der Gast bereits auf das erste teurere Angebot ein, macht das Restaurant einen guten Gewinn. Lehnt der Gast dagegen das erste Angebot ab, erhöht sich immerhin die Wahrscheinlichkeit, dass er das zweite Angebot annimmt.
Wenn man die zahlreichen Studien zur Door-in-the-face-Technik betrachtet, dann erscheint die Technik auf den ersten Blick als zu schön, um wahr zu sein. Möchte beispielsweise ein Mitarbeiter von seinen Vorgesetzen einen Bonus von 500 Euro erhalten, dann kann mit einer ersten Bitte von 1.000 Euro eigentlich nichts schiefgehen. Denn wird der ersten Bitte bereits entsprochen, erhält der Mitarbeiter doppelt so viel, wie er ursprünglich haben wollte. Wird dagegen die erste Bitte erwartungsgemäß abgelehnt, steigen dafür die Chancen, dass die zweite Bitte mit 500 Euro bewilligt wird, die der Mitarbeiter von vornherein haben wollte.
Allerdings sind mit dieser Technik auch zwei nicht zu unterschätzende Risiken verbunden. Zunächst einmal besteht die Gefahr, dass Ihr Gegenüber bereits Ihrer ersten Bitte entspricht, wodurch es sehr schwierig wird, Ihre zweite Bitte mit Ihrem eigentlichen Anliegen zu stellen. Darüber hinaus kann es schnell passieren, dass je nach Umfang der ersten Bitte, diese als maßlos übertrieben und unverschämt wahrgenommen wird, wodurch Sie schnell Ihre persönliche Beziehung zum Gegenüber beschädigen können. Auch konnte eine Studie der Bar-Ilan-Universität aus Israel aufzeigen, dass es nur zu einem gewissen Punkt effektiv ist, mit einer möglichst großen ersten Bitte anzufangen, um dadurch bei der zweiten Bitte einen größeren Spielraum für Zugeständnisse zu erreichen. Denn besitzt die Ausgangsforderung einen extremen Umfang, wird diese als unvernünftig angesehen, wodurch dem Bittsteller ein ernsthafter Verhandlungswille abgesprochen wird. Jedes nachfolgende Abrücken von dieser extremen Ausgangsposition wird deswegen nicht mehr als echtes Zugeständnis angesehen und deshalb vom Verhandlungspartner auch nicht mehr erwidert.
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Ein prominentes Opfer der Door-in-the-face-Technik ist Richard Nixon im Jahr 1972 geworden. Um die Wiederwahl des Präsidenten zu sichern, überzeugte George Gordon Liddy, der für die Beschaffung von Informationen im Komitee zur Wiederwahl des Präsidenten zuständig war, das Komitee, ihm 250.000 Dollar für das Ausspionieren der Wahlkampfzentrale der Demokraten zu geben. Obwohl der Plan sehr riskant war und Liddy einen zwielichtigen Ruf hatte, wurde dieser mithilfe der Door-in-the-face-Technik genehmigt. Denn Liddys ersterer Plan sah ein Budget von mehr als einer Million Dollar vor, bei dem Raub, Prostitution, Entführungen und sogar ein Jagdflugzeug mitinbegriffen waren. Im Vergleich dazu klang das Ausspionieren der Demokraten als ein sehr konservatives und günstiges Unterfangen. Am Ende wurden die Einbrecher jedoch gefasst und die Amtszeit von Nixon dadurch vorzeigt beendet.
Patrick Michalowski berät kleinere und mittelständische Unternehmen bei der psychologischen Optimierung ihrer Marketingaktivitäten. Er hat erfolgreich mehrere Studiengänge im Bereich Wirtschaft, Medien und Psychologie absolviert und ist darüber hinaus zertifizierter Referent für psychologische Kommunikationsprozesse (PFH)
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