Kapitel 17
Der Halo-Effekt leitet sich vom griechischen halos („Heiligenschein“) ab und ist eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen unbewusst auf Grundlage bereits bekannter Eigenschaften auf unbekannte Eigenschaften schließen. Diese hervorstechenden Eigenschaften überstrahlen dabei die (weitere) Wahrnehmung anderer Eigenschaften und Merkmale, sodass der Gesamteindruck einer Person, einer Sache oder einer Organisation stark verzerrt wird. Kommt es hierbei zu einer positiven Verzerrung, spricht man auch vom „Heiligenschein-Effekt“, während bei einer negativen Verzerrung von einem „Teufelshörner-Effekt“ die Rede ist.
Beim Halo-Effekt sind mit hervorstechenden Eigenschaften solche Merkmale gemeint, welche für uns zuerst ersichtlich sind oder von denen wir zuerst erfahren. Diese dienen anschließend als Ausgangsbasis für die Interpretation und Beurteilung nachfolgender Eigenschaften, Merkmale und Informationen. Allerdings bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass wir nach der Wahrnehmung der hervorstechenden Eigenschaften anderen Merkmalen überhaupt noch Aufmerksamkeit schenken. Denn oft genug konzentrieren wir uns nur auf die hervorstechenden Eigenschaften und lassen nachfolgende Informationen größtenteils unberücksichtigt. In diesem Kontext wird der Halo-Effekt treffenderweise auch mit „der erste Eindruck zählt!“ umschrieben.
Ein klassisches Experiment zum Halo-Effekt stammt vom Psychologen Solomon Asch und dreht sich um die Beurteilung der Persönlichkeit von zwei Menschen. Lesen Sie die nachfolgende Beschreibung von Alan und Ben durch und überlegen Sie sich, über wen Sie eine bessere Meinung haben.
Alan: intelligent – fleißig – impulsiv – kritisch – eigensinnig – neidisch
Das Beispiel mit Alan und Ben verdeutlicht, wie problematisch der Halo-Effekt sein kann. Denn welche Meinung wir uns über Menschen und Sachverhalte bilden, hängt maßgeblich von der Reihenfolge ab, in der wir die entsprechenden Eigenschaften und Informationen wahrnehmen. Und genau diese Reihenfolge hängt im Alltag oft schlicht vom Zufall ab. Erschwerend kommt hinzu, dass der Halo-Effekt durch den Bestätigungsfehler (Confirmation bias), bei dem wir vorwiegend nach den Informationen suchen, die unsere bestehende Meinung bestätigen, sehr robust und von Dauer ist. Besitzen wir beispielsweise einen negativen ersten Eindruck von einer Person, tendieren wir nachfolgend dazu, alles im Sinne unseres negativen ersten Eindrucks zu interpretieren, wodurch sich unsere negative Meinung zementiert. Haben wir dagegen einen positiven ersten Eindruck, werden selbst spätere negative Erlebnisse mit der Person noch lange vom positiven ersten Eindruck überlagert.
Ein gut erforschtes Beispiel für den Halo-Effekt im Alltag ist die physische Attraktivität von Menschen. Lernen wir eine Person zum ersten Mal kennenlernen, dann nehmen wir in der Regel das äußere Erscheinungsbild als Erstes wahr. Dieses früh wahrgenommene Merkmal der physischen Attraktivität wirkt sich wiederum auf die Beurteilung anderer Merkmale und Eigenschaften aus. So werden attraktiven Menschen aufgrund ihres Aussehens und des „What-is-beautiful-is-good“-Stereotyps häufig Intelligenz, Kompetenz und Hilfsbereitschaft attestiert, obwohl diese Eigenschaften nichts mit der körperlichen Attraktivität zu tun haben. In der Folge erhalten attraktive Menschen im Durchschnitt bessere Arbeitsangebote und Leistungsbeurteilungen als weniger attraktive Personen mit vergleichbaren Leistungen. Dies geht sogar so weit, dass unattraktive Angeklagte vor Gericht doppelt so häufig zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden wie attraktive Angeklagte.
Wie eingangs erwähnt, verzerrt der Halo-Effekt nicht nur die Personenwahrnehmung, sondern kann auch bei Sachen oder Organisationen auftreten. Zahlreiche Unternehmen investieren deswegen Unsummen, um bei potenziellen Kunden einen positiven ersten Eindruck zu hinterlassen. Dies fängt bei einem attraktiven Unternehmensauftritt im Internet an und geht bis zu Konsumprodukten, die besonders ansehnlich verpackt werden, damit die früh wahrgenommene Ästhetik der Verpackung den Produktinhalt aufwertet. Nicht ohne Grund lautet ein bis heute in vielen Werbeagenturen häufig vorkommender Leitspruch: „Die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt.“ Darüber hinaus zeigen die Forschungsergebnisse, dass Konsumenten bei einer positiven Erfahrung mit einem Produkt stark dazu neigen, diese positiven Eigenschaften ungeprüft auch anderen Produkten derselben Marke zuschreiben, obwohl dies nicht zwingend der Fall sein muss. Beispielsweise attestieren zufriedene iPhone-Besitzer häufig automatisch auch anderen Apple-Produkten eine hohe Qualität, obwohl Apple im Soft- und Hardwarebereich immer wieder mit Qualitätsproblemen zu kämpfen hat (leidgeplagte Apple Notebook-Besitzer mit Butterfly-Tastatur können davon ein Lied singen). Durch die Zuschreibung positiver Eigenschaften auch auf andere Produkte der Marke steigt in der Folge die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten diese Produkte kaufen. In Beispiel Apple zeigt sich, dass in den letzten Jahren viele Kunden erst durch ihre positive Erfahrung mit einem iPhone oder iPad sich zu einem (noch teureren) Apple-Computer oder Notebook entschlossen haben.
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Patrick Michalowski berät kleinere und mittelständische Unternehmen bei der psychologischen Optimierung ihrer Marketingaktivitäten. Er hat erfolgreich mehrere Studiengänge im Bereich Wirtschaft, Medien und Psychologie absolviert und ist darüber hinaus zertifizierter Referent für psychologische Kommunikationsprozesse (PFH)
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