Kapitel 28
Der Begriff der „sozialen Bewährtheit“ (eng.: social proof) wurde durch den Psychologen Robert B. Cialdini geprägt und beschreibt das Phänomen, dass wir uns bei unseren Entscheidungen und unserem Verhalten oftmals daran orientieren, wie sich andere Menschen in der gleichen oder einer ähnlichen Situation verhalten.
Wissenschaftlich präziser, vereint der Begriff der „sozialen Bewährtheit“ den sogenannten informativen sozialen Einfluss und die sogenannte Konsensheuristik, die Hand in Hand zusammenarbeiten. Mit dem „informativen sozialen Einfluss“ wird in der Sozialpsychologie der Umstand bezeichnet, dass wenn wir uns unsicher sind, wie wir uns in einer Situation angemessen verhalten sollen, wir uns an unseren Mitmenschen orientieren. Bei der Konsensheuristik achten wir wiederum darauf, was viele andere denken und machen und vertrauen darauf, dass deren Meinung und Verhalten richtig ist. Der Grundgedanke dahinter ist, dass wenn wir auf sozial bewährte Verhaltensweisen zurückgreifen, wir Fehler vermeiden und bessere Entscheidungen treffen können.
Ein wesentlicher Faktor, bei dem wir auf die soziale Bewährtheit zurückgreifen, ist Unsicherheit. Je unklarer und mehrdeutiger eine Situation für uns ist, oder je unsicherer wir uns sind, wie wir uns in einer Situation angemessen verhalten sollen, desto mehr orientieren wir uns daran, was sich bereits bei anderen Menschen bewährt hat. Ein Paradebeispiel dafür ist das Einkaufen im Internet oder im Supermarkt, bei dem das riesige Angebot uns schnell überfordert und verunsichert. Dies kann beispielsweise sein, wenn wir im Internet nach einer neuen Waschmaschine suchen und wir unsicher sind, welche für unseren Fall die beste ist. Es kann aber auch sein, dass wir im Supermarkt ein neues Produkt in den Händen halten, zu dem wir noch keine eigenen Erfahrungen haben, und uns unsicher sind, ob wir dieses kaufen sollen. Wenn wir uns in solchen Fällen jedoch daran orientieren, was sich bereits bei vielen anderen bewährt hat, können wir das Risiko einer Fehlentscheidung deutlich reduzieren, frei nach dem Motto: „Wenn das Produkt bereits von vielen anderen gekauft wurde, dann kann es keine schlechte Wahl sein!“.
Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass wir auf die soziale Bewährtheit zurückgreifen, um uns angemessen und regelkonform zu verhalten. Wir beurteilen hierbei in einer gegebenen Situation ein Verhalten in dem Maß als richtig, in dem wir dieses Verhalten bei anderen Menschen beobachten. Erfahren wir, wie sich in der jeweiligen Situation andere Menschen verhalten, dann werden durch diese Information spezifische soziale Normen aktiviert, an denen wir unser Verhalten ausrichten. Eine Studie der Forscher Jerry M. Burger und Martin Shelton konnte beispielsweise nachweisen, dass es für die Aufzugnutzung keinen spürbaren Effekt hat, wenn man Menschen mit einem Schild darauf hinweist, dass die Treppennutzung besser für die Gesundheit sei. Erst als die Forscher diesen Hinweis um die soziale Bewährtheit ergänzten („die meisten Menschen nehmen hier die Treppe“), wurde ein spürbarer Effekt erzielt, bei dem sich die Aufzugnutzung um beachtliche 46 Prozent verringerte. Auf ähnliche Weise wurde in den 1930er Jahren in den USA der Einkaufswagen eingeführt. Nachdem die Kunden über längere Zeit die damals seltsam aussehenden Einkaufswägen mieden, begannen findige Supermarktbetreiber damit, Leute zu bezahlen, die demonstrativ in ihren Märkten mit den Wägen ihre Einkäufe erledigten. Binnen kürzester Zeit verschwand die Skepsis gegenüber der neuen Einkaufshilfe, und die Kunden begannen, sich um die neuen Einkaufwägen zu reißen. Allerdings kann die Orientierung am Verhalten anderer Menschen im Alltag auch zu irrationalem Verhalten führen. Ein typisches Beispiel ist das Spurwechselverhalten mancher Autofahrer bei Verkehrsstaus. So hat sicherlich schon jeder Autofahrer einmal während eines Staus beobachtet, dass ein Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund die Spur wechselt, worauf kurz danach auch andere Autofahrer dem Verhalten folgen, in der Hoffnung, dass der Vordermann mehr weiß als man selbst. Die Konsequenz ist dann häufig eine sich rückwärtsbewegende Spurwechsellawine, die den bestehenden Stau noch verschlimmert.
Noch problematischer als bei Verkehrsstaus gestaltet sich der Einfluss der sozialen Bewährtheit auf das, was wir für wahr halten. Mehrere Studien konnten in diesem Bereich aufzeigen, dass je mehr Menschen einen bestimmten Gedanken für richtig halten, es umso dazu führt, dass auch der Einzelne diesen Gedanken als richtig wahrnimmt. In diesem Kontext konnten mehrere Untersuchungen aus der Hirnforschung zeigen, dass wenn wir von der übereinstimmenden Meinung anderer Menschen abweichen (selbst dann, wenn die Meinung anderer eindeutig falsch ist), dies zu einer erhöhten Aktivität im Mandelkern (Amygdala) führt, welcher an negativen Emotionen beteiligt ist.
Der bekannte Verkaufsexperte Cavett Robert ist deswegen überzeugt, dass 95 Prozent der Menschen Nachahmer und nur 5 Prozent Vormacher sind. Laut ihm lassen sich deswegen die meisten Menschen besser durch die Handlungen anderer Menschen überzeugen als mit guten Argumenten. Beispiele dafür gibt es zuhauf:
Dass sogar Behörden von der sozialen Bewährtheit profitieren können, zeigte die britische Finanzbehörde, die die Einreichung pünktlicher Steuererklärungen um 5 Prozent steigern konnte. Hierzu stellte sie in ihren Schreiben nicht mehr die Strafen für das nicht rechtzeitige Einreichen der Steuererklärung in den Mittelpunkt, sondern wies wahrheitsgemäß darauf hin, dass die meisten Menschen in Großbritannien ihre Steuern pünktlich zahlen. Die Quote konnte noch einmal um 12 Prozent erhöht werden, wenn im Schreiben darauf hingewiesen wurde, dass die große Mehrheit der Menschen mit der gleichen Postleitzahl wie der Empfänger, ihre Steuern pünktlich zahlen.
Doch worauf sollte man achten, wenn man andere Menschen mithilfe der sozialen Bewährtheit von etwas überzeugen möchte? Hier gibt es einen elementaren Punkt zu beachten, welcher im Internet an zahlreichen Stellen falsch wiedergegeben wird und damit wissenschaftlich nicht korrekt ist. Häufig ist hier nämlich nur die Rede, dass wir uns am ehesten von denjenigen Menschen beeinflussen lassen, die uns ähnlich sind. Diese Aussage ist an sich nicht falsch, führt jedoch dazu, dass das wichtigste Kriterium für die Wirksamkeit der sozialen Bewährtheit vernachlässigt wird: die Ähnlichkeit der Situation. Bevor wir überhaupt darauf achten, ob andere Personen uns in bestimmten Merkmalen ähnlich sind, achten wir zuerst darauf, ob sich die Personen in einer ähnlichen Situation befinden wie wir selbst. Erst danach richtet sich unser Augenmerk darauf, ob diese Menschen uns auch in anderen Merkmalen ähnlich sind, etwa hinsichtlich des Alters, Geschlechts oder Berufs. Je größer hierbei die Ähnlichkeit, desto mehr lassen wir uns von den betreffenden Menschen beeinflussen. Wenn wir beispielsweise im Internet für unsere Familie eine neue Waschmaschine suchen, die es mit der Wäsche von drei kleinen Kindern aufnehmen kann, dann wird uns die gute Bewertung einer anderen Familie mit kleinen Kindern zu einem Trockner nicht beeinflussen. Denn obwohl die Ähnlichkeit beim Merkmal „Familie“ vorhanden ist, fehlt es hier an der Grundvoraussetzung der Ähnlichkeit der Situation: also um die Waschmaschine. Etwas anders verhält es sich, wenn wir auf eine Bewertung zu einer Waschmaschine stoßen, die von einem alleinstehenden Geschäftsmann stammt, der davon schwärmt, wie sauber seine Hemden mit der Maschine werden. Diese Bewertung wird uns schon mehr beeinflussen, jedoch fehlt es hier am Verstärker des Merkmals „Familie“. Den stärksten Einfluss auf unsere Entscheidung entfaltet die soziale Bewährtheit, wenn wir auf eine Bewertung zu einer Waschmaschine stoßen, die von einer Familie mit mehreren Kindern stammt. In diesem Fall ist die Ähnlichkeit der Situation vorhanden, welches wiederum durch andere Merkmale (Familie) verstärkt wird.
Rezension im Internet | Ähnlichkeit der Situation | Ähnlichkeit in anderen Merkmalen | Wirkung der sozialen Bewährtheit auf unsere Entscheidung |
---|---|---|---|
Trockner einer Familie | Nein | Ja | Keine |
Waschmaschine vom alleinstehenden Geschäftsmann | Ja | Nein | Mittel |
Waschmaschine einer Familie mit kleinen Kindern | Ja | Ja | Groß |
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Patrick Michalowski berät kleinere und mittelständische Unternehmen bei der psychologischen Optimierung ihrer Marketingaktivitäten. Er hat erfolgreich mehrere Studiengänge im Bereich Wirtschaft, Medien und Psychologie absolviert und ist darüber hinaus zertifizierter Referent für psychologische Kommunikationsprozesse (PFH)
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