Kapitel 10
Der Begriff „kognitive Dissonanz“ geht auf den Sozialpsychologen Leon Festinger zurück, der in den 1950er Jahren mit seiner Theorie der kognitiven Dissonanz der psychologischen Forschung einen großen Dienst erwies, indem er einen der wichtigsten Bestimmungsfaktoren menschlichen Verhaltens aufzeigte: das starke Bedürfnis, ein stabiles und positives Selbstbild aufrechtzuerhalten.
Interessanterweise entwickelte Festinger seine Theorie der kognitiven Dissonanz, nachdem er zum Schein Mitglied einer Sekte gewesen war, die den Weltuntergang prophezeite. Zusammen mit zwei weiteren Forschungskollegen schleuste Festinger sich in die Gruppe, um zu verstehen, wie Menschen mit Widersprüchen zwischen ihrem Glauben, ihrem Verhalten und der Wirklichkeit umgehen. Bei der Sekte handelte es sich um „The Seekers“ (dt.: die Sucher), deren Anführerin Marian Keech hieß und die angab, Nachrichten von spirituellen Wesen eines anderen Planenten zu empfangen. Im Jahr 1954 prophezeite sie, dass am 21. Dezember sämtliches Leben auf der Erde von einer gewaltigen Flut für immer vernichtet würde, während ihre Gruppe von fliegenden Untertassen gerettet werden würde. Als daraufhin ihre Anhänger ihr gesamtes Hab und Gut verkauften und sich am Stichtag in Wisconsin versammelten, passierte: nichts. Die Sekte sah sich der vollkommenen Lächerlichkeit preisgegeben. Doch anstatt sich von ihrer Anführerin abzuwenden, fühlten sich die Sektenmitglieder nun in ihrem Glauben mehr denn je bestätigt. Denn jetzt behaupteten sie, dass der Weltuntergang deswegen ausgeblieben sei, da ihre Gebete Gott umgestimmt hätten. Für die anwesenden Forscher war dieses Verhalten nicht verwunderlich. Schließlich hatten sich die Sektenmitglieder so sehr mit ihrem Glauben identifiziert und dafür alles andere aufgegeben, dass jede andere Erklärung schier unerträglich war. Anstatt sich einzugestehen, dass sie auf eine Schwindlerin reingefallen waren, lösten die Sektenmitglieder ihre kognitive Dissonanz, indem sie sich eine Erklärung ausdachten und dadurch ihr positives Selbstbild beibehalten konnten. Bemerkenswerterweise blieb der Großteil der Sektenanhängerschaft bis zum Tod von Marian Keech im Jahr 1982 ihrer Anführerin treu ergeben.
Heute gehört Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz gehört zur Gruppe der sogenannten Konsistenztheorien und zu den am besten belegten Befunden der Sozialpsychologie. Kurzgefasst besagen die Konsistenztheorien, dass Menschen einen starken Drang besitzen, in ihren Kognitionen und ihrem Verhalten konsistent (widerspruchsfrei) zu sein oder zu erscheinen. Sind Dissonanzen (Widersprüche) zwischen Kognitionen untereinander oder zwischen Kognitionen und Verhalten vorhanden, besteht eine sehr starke Bestrebung, diese in irgendeiner Art wieder miteinander vereinbar zu machen. Interessanterweise zeigt hierbei die Forschung, dass sich die meisten Menschen nach Auflösung ihrer kognitiven Dissonanz nicht mehr korrekt einschätzen können, was sie vorher gedacht haben bzw. welche Einstellung sie vorher hatten. Bittet man beispielsweise Versuchspersonen nach der Reduktion ihrer kognitiven Dissonanz, sich an ihre frühere Einstellung zu erinnern, sind die meisten der Überzeugung, dass sie ihre jetzige Meinung und Einstellung schon immer gehabt hätten.
Ist der unangenehme Zustand der kognitiven Dissonanz vorhanden, dann findet der Prozess der Dissonanzreduktion weitgehend unbewusst statt. Es gibt drei Möglichkeiten, die erlebte kognitive Dissonanz aufzulösen:
Betrachten wir hierzu die drei Möglichkeiten zur Dissonanzreduktion anhand eines Beispiels, von dem tagtäglich Millionen Menschen betroffen sind: dem Rauchen. Es ist mittlerweile allseits bekannt, dass Rauchen sehr gesundheitsschädlich ist, weshalb viele Raucher starker kognitiver Dissonanz ausgesetzt sind. Der direkteste Weg zur Auflösung dieser Dissonanzen wäre, das dissonanzhervorvorrufende Verhalten zu ändern. Hierzu würde man das gesundheitsschädliche Verhalten durch Aufgabe des Rauchens ändern, damit dieses mit dem Wissen um die gesundheitsschädlichen Folgen des Rauchens (dissonante Kognition) im Einklang stehen würde. Allerdings stellt eine Verhaltensänderung zur Reduktion von kognitiven Dissonanzen immer den beschwerlichsten Weg dar. Die meisten Menschen ändern daher ihr dissonanzhervorrufendes Verhalten nicht, sondern beginnen, dieses in irgendeiner Form zu rechtfertigen. Diesen Weg begehen auch die meisten Raucher, indem sie die Gesundheitsgefahren des Rauchens verharmlosen bzw. leugnen (Änderung dissonanter Kognitionen) oder sich einreden, dass das Rauchen bei der Entspannung und Konzentration hilft (Hinzufügen neuer Kognitionen). Typischer Weise kommt es hierbei auch zu einer selektiven Beschaffung und Interpretation von Informationen, bei der Dissonanzhervorrufende Informationen gemieden und abgewertet werden.
Beispiele für kognitive Dissonanz lassen sich im Alltag überall finden. Dies kann beispielsweise ein streng konservativer Politiker sein, der sich öffentlichkeitswirksam gegen Prostitution engagiert und dann mit einem Callgirl erwischt wird („Ein Callgirl ist ja eigentlich keine Prostituierte“). Viele Menschen, die gerne Fleisch essen, stehen wiederum im Konflikt zwischen ihrem Fleischkonsum und ihrem Wunsch, Tieren nicht zu schaden (auch Fleisch-Paradoxon genannt). Die dabei erlebte kognitive Dissonanz wird häufig dadurch reduziert, indem sie den Tieren, die sie essen, ein geringes Maß an Intelligenz und Schmerzempfinden zusprechen. Dadurch erscheinen die Tiere moralisch weniger als schützenswert, wodurch wiederum die Akzeptanz steigt, diese als Nahrungsmittel nutzen zu können.
Beim Konsumentenverhalten gibt es außerdem das besondere Phänomen der Nachkaufdissonanz: Diese tritt häufig nach Kaufentscheidungen auf und zeichnet sich durch Zweifel und ein ungutes Gefühl aus, möglicherweise eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Um ihre kognitive Dissonanz zu reduzieren, suchen viele Konsumenten deshalb selektiv nach Informationen, die ihre Entscheidungen bestätigen und meiden Informationen, die ihre Entscheidung infrage stellen könnten. So konnten Untersuchungen beispielsweise aufzeigen, dass Käufer eines Autos nach dem Kauf deutlich häufiger Werbung für ihr eigenes Auto lesen als für andere Fahrzeuge. Die Automobilindustrie schaltet deswegen Werbung vordergründig nicht mehr zum Zweck der Käufergewinnung, sondern dazu, die Nachkaufdissonanzen ihrer eigenen Käufer zu reduzieren (sogenannte Nachkaufwerbung). Die Forscher James H. Donnelly und John M. Ivancevich konnten hierbei aufzeigen, dass durch Nachkaufwerbung und die dadurch herbeigeführte Reduktion der Nachkaufdissonanz, die Rückgabe- bzw. Rückabwicklungsquote bei Autokäufen von 6,4 Prozent auf 2,4 Prozent sinkt.
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Der Saure-Trauben-Effekt ist benannt nach der Fabel „Der Fuchs und die Trauben“ des griechischen Fabeldichters Äsop. In der Fabel entdeckt der Fuchs einen Weinstock voller leckerer Trauben, an die er trotz seiner großen Bemühungen nicht herankommt. Also beißt der Fuchs seine Zähne zusammen, rümpft die Nase und meint: „Mir sind die Trauben noch nicht reif genug, ich mag keine sauren Trauben“ und stolziert mit erhobenem Haupt wieder zurück in den Wald. Der Saure-Trauben-Effekt bezeichnet somit das psychologische Phänomen, dass bei persönlichem Versagen (z. B. „Ich komme nicht an die Trauben“) oder bei Unerreichbarkeit eines Ziels (z. B. „Ich hätte gerne einen Ferrari, besitze dafür aber kein Geld“), die empfundene kognitive Dissonanz durch Schönreden und Rationalisierung reduziert wird („Die Trauben sind eh sauer“ bzw. „Einen Ferrari fahren eh nur überhebliche Bonzen, dass passt nicht zu mir“).
Patrick Michalowski berät kleinere und mittelständische Unternehmen bei der psychologischen Optimierung ihrer Marketingaktivitäten. Er hat erfolgreich mehrere Studiengänge im Bereich Wirtschaft, Medien und Psychologie absolviert und ist darüber hinaus zertifizierter Referent für psychologische Kommunikationsprozesse (PFH)
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