Die Status-quo-Verzerrung ist eine kognitive Verzerrung, die zu einer übermäßigen Bevorzugung des Ist-Zustands gegenüber Veränderungen führt. In Entscheidungs- und Wahlsituationen wird deswegen oft nichts unternommen oder eine vergangene getroffene Entscheidung beibehalten (der Status quo wird somit aufrechterhalten). Diese Tendenz, den aktuellen Zustand bewahren zu wollen, ist umgangssprachlich auch als „Macht der Gewohnheit“ bekannt und ist mit dafür verantwortlich, dass Innovationen und notwendige Veränderungen ausgebremst werden.
Für den menschlichen Drang, dass Dinge so bleiben sollen, wie sie derzeit sind, existieren in der Psychologie und Verhaltensökonomie unterschiedliche Erklärungsansätze. So ist beispielsweise gut belegt, dass Routinen und Gewohnheiten ungern aufgegeben werden, da diese Sicherheit stiften und die Komplexität des Alltags reduzieren. Eine weitere Erklärung lautet, dass die Aufgabe des Ist-Zustandes als Verlust empfunden wird. Von der
Verlustaversion wissen wir, dass Menschen Verluste vermeiden möchten. Gleichzeitig lehrt uns die
Prospect-Theorie, dass Verluste höher gewichtet werden als Gewinne gleichen Ausmaßes (siehe
Verlustaversion). Dies führt dann häufig dazu, dass der empfundene Verlust mit der Aufgabe des Status-quo den empfundenen Gewinn einer Veränderung überwiegt, selbst wenn eine Veränderung des Ist-Zustandes nachweislich vorteilhafter oder risikoärmer ist. Ein anderer Erklärungsansatz für die Status-quo-Verzerrung lautet, dass Menschen sich an eine einmal getroffene Entscheidung gebunden fühlen (
Commitment und Konsistenz). Würde man die getroffene Entscheidung nun revidieren, müsste man sich einen Fehler eingestehen, weshalb an der Entscheidung nicht mehr gerüttelt wird.
Ein schönes Beispiel für die Status-quo-Verzerrung ist ein einfaches Experiment, welches die Ökonomen William Samuelson und Richard Zeckhauser im Jahr 1988 durchführten. Hierzu wurden Versuchspersonen gebeten, Geld anzulegen, bei dem sie sich vorstellen sollten, dass sie dieses von einem Onkel geerbt hätten. Erhielten die Probanden das Geld in Form von Aktien der Firma A, wurde dieses mehrheitlich in die Firma A investiert. Wurde hingegen das Geld in Form von Aktien der Firma B hinterlassen, entschieden sich die Versuchspersonen mehrheitlich, dieses in Firma B zu investieren. Andere Studien konnten die Status-quo-Verzerrung auch im gesellschaftlich-politischen Bereich nachweisen, die mit dafür verantwortlich ist, dass es bei politischen Reformen oft zu größeren Protesten kommt oder dass Amtsinhaber bei Wahlen einen messbaren Amtsbonus besitzen.
Die Forschung zeigt, dass die Präferenz für den Status-quo umso größer ist, je komplexer die Entscheidungssituation ist. Je größer die Auswahl an Alternativen und je unübersichtlicher deren Konsequenzen sind, desto größer ist die Status-quo-Verzerrung. Im Alltag führt dies dazu, dass wir uns unseren Gewohnheiten treu bleiben und stets in den gleichen Geschäften einkaufen, zu den gleichen Marken greifen und den Arbeitgeber nicht wechseln. Dieser Umstand ist selbstverständlich den meisten Marketingabteilungen bekannt. Viele Unternehmen versuchen deswegen, die Status-quo-Verzerrung beim Kunden zu verstärken und ihn damit an das Unternehmen zu binden. Hierzu werden beispielsweise die Annehmlichkeiten des aktuellen Zustands betont, Treue- und Bonuskarten ausgegeben oder Lieferkosten-Flatrates (z. B. Amazon Prime) angeboten. Die Lebensmittelmarke „Du darfst“ hat daraus sogar eine Lebensphilosophie gemacht, indem sie ihre Produkte erfolgreich mit dem Slogan „Ich will so bleiben, wie ich bin“ bewirbt.